Meine Geschichte mit Finasterid und Haarausfall [Beitrag #456933] :: Do., 19 November 2020 17:19
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Es war Anfang diesen Jahres. Ich hänge mit dem Kopf über dem Waschbecken, schaue in den Spiegel und fahre mir mit der Hand durch die Haare und es fallen wieder einmal über Zehn Haare in das Waschbecken. Ich bin gerade in der Phase einer schweren Depression, nicht wegen Haarausfall, sondern wegen anderer privater Vorfälle. Nun fallen sogar meine dicken, schwarzen Terminalhaare am Hinterkopf aus. Finasterid hatte ich zuvor schon einmal für 8 Monate genommen und aus heutiger Sicht dummerweise abgesetzt, aus Angst vor Nebenwirkungen. Ich hatte mit diesem Medikament eigentlich schon abgeschlossen und die letzten Tabletten damals die Toilette runtergespült. Und nun gehe ich wieder zu meinem Hautarzt und starte ein zweites mal meine Finasterid Therapie, und das in einer schweren Depression, in der sowohl meine Psyche, meine Physis als auch meine Potenz im Minusbereich liegen. Das war vor ziemlich genau 7 Monaten. Doch was ist der aktuelle Stand der Dinge? Spulen wir ein paar Jahre zurück, als ich noch nichts von Finasterid wusste und dachte, dass eine Glatzenbildung Schicksal sei...
Es war vor ungefähr 10 Jahren, ich befand mich in den Anfängen der Pubertät und wir waren mit unserer Schulklasse auf einem Ausflug in England. Mit 3 Klassenkameraden wohnte ich bei einem netten Ehepaar, das 3 junge Töchter in unserem Alter hatte und in einem großen Haus in einer ländlichen Gegend wohnte. Als wir draußen im Garten zum ersten mal Fußball spielten und Teams bildeten, passierte es: eines der Mädchen stand neben mir, führ mir mit ihrer Hand durch die Harre und über die Wangen und sagte "I want to be in a team with the handsome boy". Ich war natürlich noch extrem Schüchtern in der Pubertät, lief knallrot an und habe nun verstanden, warum die 3 Mädels jedes mal beim Mittagessen die Köpfe zusammenstreckten, mich angeschaut, geflüstert und gekichert haben. Nach dem Fußballspielen bin ich hinaus aufs Zimmer und habe mich erstmal eine Weile im Spiegel des Badezimmers angeschaut. Väterlicherseits habe ich spanische Wurzeln und deshalb relativ dickes und dunkles Haar, sowie dunkle markante Augenbrauen und anscheinend ein hübsches Gesicht. Aber ich war vor diesem Zeitpunkt einfach noch zu jung und habe mich weder um mein Aussehen noch um Mädels geschert. Ein ganz normaler Junge eben, der nach der schule mit seinen Freunden nichts anderes als Fifa auf der PS2 zocken will. Dass das ganze einmal in einem krankhaft ausgeprägten Narzissmus enden würde, konnte ich natürlich nicht ahnen. So vergingen die Jahre und für mich wurde mein Aussehen immer wichtiger. Ich laufe durch den Bus und die Mädels die in dem Vierer sitzen an dem ich gerade vorbeilaufe stellen die Gespräche ein, schauen mich an und fangen an zu tuscheln. Es war quasi Jahre lang jeden Tag Thema und ich schaute mich bei jeder Gelegenheit in einem Spiegel an. Zuhause im Bad, auf dem Display des Handys, in den Scheiben des vorbeifahrenden Busses, einfach überall. Das ist bis heute noch so, ein krankhafter Narzissmus eben, der sich leider auch auf meinen Charakter ausgewirkt hat und eher Fluch als Segen ist. Das einzig positive daran war eben nur das einfache Spiel bei Mädels. Ich musste nie den ersten Schritt machen, nichts investieren oder riskieren und bekam was ich wollte. Und auch sonst wurde ich schon immer von Frauen bevorzugt behandelt und war auch zuhause das Nesthäkchen, das von seinen 2 älteren Schwestern verwöhnt wurde und nie einen Finger krumm machen musste. Mein älterer Bruder war nicht so gesegnet und hatte auch noch ziemlich schütteres Haar. Tja, und in der Oberstufe begann es dann: ich bin 17, es bilden sich Geheimratsecken und hinten lichtet sich der Wirbel. Mir fallen 100 dicke schwarze Haare am Tag aus. Und wenn ich mal den zupftest hinten am Wirbel mache, befinden sich gleich 10 Haare zwischen meinen Fingern. 5 Sekunden später zupfe ich an der gleichen Stelle und es sind wieder 10 Haare. Aber mein Haarstatus ist einfach noch zu stabil um hysterisch zu werden. Ich habe geradezu dicke Borsten und ohnehin, im Internet steht, dass der Verlust bis zu 100 Haaren am Tag völlig normal sei. Dass es natürlich primär darauf ankommt, wie stark die haare nachwachsen und dass man Haarverlust erst sichtbar wird, wenn man bereits einen beachtlichen Teil seines Haares verloren hat, steht natürlich in den unwissenden Klatschmedien nicht. Das ganze geht so weiter bis zum Winter 2017. Ich bin 21 Jahre alt und mir reicht es. Ich bin mittlerweile Student und beobachte meinen Haarzustand dauerhaft im Handydisplay. Alle 5 Minuten. Irgendwann lese ich von dem Medikament Finasterid. Und davon, dass auch Donald Trump und diverse Prominente es einnehmen, oder eben Dutasterid. Davor hatte ich jedoch zu viel Respekt. Also ging ich zum Hausarzt und holte mir Propecia. Er wollte erst mit Minoxidil anfangen da ich nur Geheimratsecken hatte, aber ich wollte sofort Finasterid. Diesem schleichenden, trügerischen voranschreiten der AGA traute ich kein Stück mehr. Bei meinem Bruder war es 1 zu 1 das gleiche. Ich hatte natürlich schon die Bedenken wegen der Nebenwirkungen. Habe den ganzen Mist mit sunken eyes etc. gelesen. Aber die Studienlade und der Umstand, dass auch mein Hautarzt bei seinen Patienten noch keinen Fall von Nebenwirkungen hatte, machte es dann doch einfacher. Zumal ich für den Stopp meines Haarausfalls bereit gewesen wäre Nebenwirkungen bis zu einem gewissen grad zu akzeptieren. Ich hatte sowieso eine Libido wie ein Stier und könnte jede halbe Stunde Druck ablassen. Passiert ist zu Anfang einfach mal garnichts, was mich verwundert hatte. Nach ein paar Wochen hatte ich für etwa 3 Tage wässrigeres Sperma, aber sonst hatte ich einfach nichts gemerkt. Auch in Bezug auf meine Haare bemerkte ich nichts. 1 mal auf dem Weg zur Uni bemerkte ich ein Spannungsgefühl dass quer über mein Gesicht zog und wieder verschwand. Lag es an Propecia? Hm, vielleicht. 3 Monate waren um und ich holte mein nächstes Rezept. Die Nebenwirkung des wässrigen Spermas erwähnte ich nicht bei meinem Hautarzt, ich hatte zu viel Angst davor, er würde sofort auf Minoxidil umschwenken. Haare vielen mir weiter aus, es handelte sich aber hauptsächlich um kürzere dünne Haare. In Monat 4 vielen mir für 2 Tage nicht ein einziges Haar aus. Danach jedoch wie vorher kurze dünne Haare. Im Juli nahm ich Propecia bereits seit 7 Monaten und fuhr nach Schaffhausen zu einer bekannten Klinik für Haartransplantation. Mittlerweile war ich selbst fast schon ein Experte was das Thema anging und habe mir so gut wie alles darüber durchgelesen. Mein absoluter Favorit und der einzige den ich an meine Haare ranlassen würde, ist eben jener Arzt in Schaffhausen, den hier wahrscheinlich jeder kennt. Seine Ergebnisse überzeugen mich und die online zur Verfügung gestellten Informationen zum Thema Haartransplantation und Haarausfall zeugen einfach von einem hohen Maß an Qualität. Ich fahre 2 Stunden nach Schaffhausen, sitze vor besagtem Herr und bekomme die Frage: "Was kann ich für Sie tun?". Ich habe natürlich erstmal gedacht ich bin im falschen Film, man geht ja auch nicht mit einem Ausschlag im Gesicht zum Arzt und erwartet so eine Frage. Aber klar, ich habe natürlich ein übertriebenes Verhältnis zu meinem Haarzustand bzw. Aussehen. Dennoch natürlich die Diagnose der zurückweichenden Geheimratsecken und der Verbleib, Finasterid weiter zu nehmen. 1 Monat später, ich bin für ein Auslandssemester in Barcelona. August 2018 und es geht ein Thema viral durch alle Medien. Das Post Finasterid Syndrom. Na toll, mein Haarausfall ging gegen Null, auch an den Geheimratsecken und ich bin noch relativ gut davon gekommen. Trotz bereits 5 Jahren Haarausfall war mein Zustand noch echt gut, primär wegen der guten Ausgangslage von dichtem dunklen Haar. Ich wurde noch nicht schief angeschaut und mit den Frauen war es wie eh und je. Ich hatte noch rechtzeitig die Notbremse mit Finasterid gezogen, und endlich keinen Haarausfall mehr. Und ausgerechnet jetzt kommt das. Der einzige Zustand, den ich als noch schlimmer als eine Glatze ansehen würde, wäre lebenslange Impotenz. Ich hatte zwar nichts davon gespürt, aber ich hatte eben auch kurzzeitig wässriges Sperma, sprich Finasterid hatte durchaus etwas in meinem Körper gemacht. Kurzum: ich biss in den sauren Apfel und setzte Finasterid ab. Der schlimmste Fehler in meinem Leben. Bis auf ein erhöhtes Ejakulatsvolumen änderte sich nichts. Weder psychisch noch physisch. Aber ich redete mir ein den Haarausfall auszuhalten bis ich einen operationswürdigen Zustand erlangen würde, und dann sei erstmal Ruhe. Es vergingen 1.5 Jahre und der Haarverlust nahm weiter Form an, aber ich hatte ja noch viel Pulver zu verschießen. Ich bin 24 Jahre als und wir haben Februar im Jahre 2020. Ich befinde mich in der eingangs beschriebenen Situation und nehme zum zweiten mal Finasterid. Dieses mal mit dem voraus gemachten Kompromiss: Finasterid für immer, ohne wenn und aber. Ich will es einfach nicht mehr, dieses Ausdünnen über den gesamten Oberkopf. Noch 2 weitere Jahre und es wird großflächig schüttern. So nehme ich es wieder seit Anfang März. Meine Psyche hat sich erholt und auch meine Potenz. Und das trotz Finasterid Einnahme. Meine Haarqualität hat sich wieder deutlich gebessert, auch wenn ich Boden verloren habe im Vergleich zu meinem Status 2018. Aber egal, mein Haarverlust ist wieder bei quasi Null, sprich ca. 10 Kurze Haare fallen mir über den Tag verteilt aus. Was schon beachtlich ist, wenn ich bedenke dass bei mir der Haarverlust mit 16/17 Jahren begonnen hatte. Vor allem bin ich gespannt, ob ich bis zum vollenden des 2.jahres der Finasterideinnahme noch etwas hinzu gewinne. Zurzeit nehme ich 0.25mg am Tag und schaue mal, ob ich es so halten kann. Falls nicht gehe ich auf 1mg zurück. Und wenn ich irgendwann meine Haartransplantationsklinik dazu überredet bekomme, mich meinen Haaransatz wieder neu setzen zu lassen, wäre ich wieder überglücklich. So, das war es zu meiner Story.
Würde ich jedem mit Haarverlust dazu raten Finasterid zu nehmen? Definitiv nicht. Es greift in den Hormonhaushalt ein und kann drastische Nebenwirkungen mit sich bringen. Man muss sich mit der Materie auseinandersetzen. Der Stopp des Haarausfalls ist nicht die Wirkung, sondern eine Nebenwirkung von Finasterid. Und man sollte meiner Meinung nach nur dann Finasterid einnehmen, wenn es im Verhältnis zur psychischen Belastung durch den Haarausfall steht. Wer so wie ich schon kaputt daran geht, dass sich das vordere Drittel ausdünnt, braucht sich erst gar nicht Fragen wie es bei einem Status von NW4-NW6 seien würde. Bei mir käme das einem Identitätsverlust gleich, der all meine Lebensbereiche negativ beeinflussen würde.
Sprich ich sehe Finasterid als nicht ganz so harmlos an wie Kevin Mann auf seinem Youtube Kanal(bin trotzdem ein großer Fan von ihm), finde es aber genauso verantwortungslos Haarausfall bei jungen Menschen als rein kosmetisches Problem zu bezeichnen und Finasterid zu verteufeln, wie es nun mal in den Medien der Fall ist.
Für Schreibfehler entschuldige ich mich, der Text ist mir zu lang zum Korrekturlesen
Wünsche jedem eine schöne Restwoche und viel Erfolg beim Kampf gegen Haarausfall
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Aw: Meine Geschichte mit Finasterid und Haarausfall [Beitrag #457005 ist eine Antwort auf Beitrag #456933] :: Sa., 21 November 2020 11:20
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Zitat:dass auch mein Hautarzt bei seinen Patienten noch keinen Fall von Nebenwirkungen hatte
Hatte meiner auch gesagt. Daraufhin 3 Monate Fin, direkt Verstimmungen, BrainFog, sunken eyes mit extremer Trockenheit, Libido auch nicht optimal - nein, definitiv keine Einbildung. Bin nie wieder zu dem Hautarzt, er kennt nach wie vor keinen Patienten mit Nebenwirkungen..
Abgesetzt:Finasterid (nach 2 Monaten wegen Nebenwirkungen), Setipiprant (nach 1,5 Jahren wegen Wirkungslosigkeit)
aktuell: 1-2ml RU 5%, 1ml Pyrilutamide 0.5%, 1ml Minox (Bart)
'Der Norwood von heute ist der Traum von morgen' 28Jahre NW2 auf dem Weg zu NW3
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Aw: Meine Geschichte mit Finasterid und Haarausfall [Beitrag #457015 ist eine Antwort auf Beitrag #457005] :: Sa., 21 November 2020 16:02
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Tom10
Beiträge: 1935 Registriert: August 2014
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Kahlschläger schrieb am Sat, 21 November 2020 11:20Zitat:dass auch mein Hautarzt bei seinen Patienten noch keinen Fall von Nebenwirkungen hatte
Hatte meiner auch gesagt. Daraufhin 3 Monate Fin, direkt Verstimmungen, BrainFog, sunken eyes mit extremer Trockenheit, Libido auch nicht optimal - nein, definitiv keine Einbildung. Bin nie wieder zu dem Hautarzt, er kennt nach wie vor keinen Patienten mit Nebenwirkungen..
Hautärzte sagen das gerne zur Beruhigung
PRP (seit März 2018) MSM Kapseln (seit März 2022)
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Aw: Meine Geschichte mit Finasterid und Haarausfall [Beitrag #457017 ist eine Antwort auf Beitrag #457014] :: Sa., 21 November 2020 16:57
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Tom10 schrieb am Sat, 21 November 2020 15:59Fin wird ja wieder anständig gefeiert hier. Uber Langzeiteinnahme sprich Plateaubildung oder NWs kein Wort.Aber gut, ich kanns verstehen ihr seid noch jung
Ich denke nicht, dass ich Fin hier in den Himmel gelobt habe. Meine ausführliche Geschichte hatte den Zweck zu zeigen, dass Haarausfall im Einzelfall verheerende psychische Folgen haben kann. Und die betreffende Person, in meinem Beispiel ich selbst, kann eben nur bedingt etwas dafür. Mit dem jungen Alter bzw. der nicht vorhandenen Reife, wie du es hier implizierst, hat das nicht immer etwas zu tun. Ich rate jedem davon ab zu schnell auf Fin zurückzugreifen. Mir braucht auch niemand zu kommen und zu sagen, die Nebenwirkungen wären eingebildet oder aus der Luft gegriffen. Dass es u.a. zu sexuellen Nebenwirkungen kommen kann, wenn man ein Sexualhormon unterdrückt, sollte auch für den Laien in Sachen Biologie nicht schwer zu verstehen sein. Selbst wenn man psychisch unter Haarausfall leidet, würde ich raten zuerst zu einem Psychologen zu gehen und zu versuchen, seinem Haar nicht so viel Bedeutung zu geben und deswegen seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Sprich ich würde Fin nur dann empfehlen, wenn man alles andere versucht hat und selbst ein Psychologe zu dem Schluss kommt, dass der Benefit von Fin das gegebene und ernstzunehmende Risiko, welches mit der Einnahme verbunden ist, überwiegt.
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