Millionen betroffen
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Haarfollikelzüchtung an der Technischen Universität Berlin

Der Öffentlichkeit und den Betroffenen blieb lange Zeit verborgen, dass an der Technischen Universität Berlin ein höchst interessantes Haarmodell entwickelt wird, das schon in absehbarer Zeit die Haarpracht wieder bringen könnte.

Nachdem vor einigen Wochen viele Informationen in die Presse gelangt sind, möchten wir in einem Online-Interview mit Herr Dr. Gerd Lindner versuchen, das Projekt, die Chancen und aber auch die noch nötigen Schritte vorzustellen. Wir möchten bei dieser Gelegenheit auch R. Azar von der iFUE Haarklinik Berlin danken, der mit Dr. Lindner zusammen arbeitet und den Kontakt hergestellt hat.

Herrn Dr. Gerd Lindner ist Leiter "Organmodelle & Imaging" am Institut für Biotechnologie der TU Berlin. Das Institut unter Leitung von Prof. Dr. Roland Lauster hat u.a. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einen Förderung für die Entwicklung von „Multi-Organ-Bioreaktoren im Chipformat" erhalten. Dr. Lindner hat Biochemie an der Freien Universität Berlin studiert und hat sich bei seiner Doktorarbeit an der Berliner Charité mit dem Thema der Haarwuchsinduktion durch Wachstumsfaktoren beschäftigt. Nachdem er am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin künstliche Hautsysteme für die Sicherheitstestung von Substanzen entwickelt hat, konnte er am Fachgebiet Medizinische Biotechnologie der TU Berlin ein Verfahren entwickeln, bei dem aus Haarfollikel-Stammzellen eine künstliche Haut erzeugen werden kann. Zurzeit ist dabei einen Mikro-Haarfollikel zu erzeugen, der möglicherweise in Zukunft für Haartransplantationen bei erblich bedingtem Haarausfall eingesetzt werden könnte.

Wir freuen uns, dass Herr Dr. Lindner uns einige Fragen beantworten möchte, die sicher konkret vor dem Hintergrund zu sehen sind, dass viele Betroffene dringend auf eine Hilfe bei ihrem Problem Haarausfall warten.



Elektronenmikroskopische Aufnahme eines
Mikrofollikels mit haarähnlicher Struktur
Bildquelle: Lindner

Es gibt eine ganze Reihe Veröffentlichungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, allerdings ist das nicht ganz leicht, hier die genaue Vorgehensweise zu verstehen. könnten Sie uns einmal kurz die Ablauf der Haarfollikelzüchtung nach Ihrer Technologie schildern:

Bei unserer Methode der Haarfollikelzüchtung handelt es sich um das weltweit erste und einzige Verfahren bei dem autologe -also körpereigene- Zellen biotechnologisch zu speziellen „Haarkeimen“ zusammengesetzt werden.

Als erstes werden dabei dem Probanden/Patienten einige wenige Haarfollikel entnommen aus denen die benötigten Zellen isoliert werden. Diese werden beträchtlich vervielfacht, unter speziellen Bedingungen wieder zusammengesetzt und mit einer biologischen Matrix/ Schutzschicht überzogen, so dass sich induktive Haarkeime bilden. Diese „Neopapillen“ sind bereits in der Lage in der Kulturschale kleine, haarproduzierende „Mikrofollikel“ aufzubauen. Wir haben diese Methode gerade in einer wissenschaftlichen Zeitschrift (Journal of Biotechnology) genauer beschrieben.

Wir gehen davon aus, dass dieser Mikrofollikel ebenso in der Kopfhaut in der Lage sind zukünftig ein neues Haar produzieren zu können.

Es wird also immer notwendig sein, einige Haare zu entnehmen, und diese dann in der gewünschten Form wieder einzusetzen?

Ja, genau wie bei einer FUE –Haartransplantation werden auch bei unserem Verfahren mit kleinen 0,9mm Biopsien Haarfollikel (also die kleine Einheiten, die unser Haar produzieren) entnommen. Allerdings wird je nach Grad der Alopezie eine wesentlich geringere Anzahl entnommen werden müssen. Voraussichtlich werden für 10000 Haarkeime bis zu 30 Biopsien entnommen werden müssen, die aber nicht einmal Stecknadelkopf groß sind. Das ist schmerzfrei, hinterlässt keine sichtbaren Narben und ist in wenigen Minuten durchgeführt.

Was ist denn der schwierigste Schritt bei dem Verfahren?

Die schwierigsten Schritte sind die Präparation der benötigten Zellen, da diese unter dem Mikroskop geschehen muss und man viel Erfahrung dafür braucht und besonders der Überzug mit der biologischen Matrix/ Schutzschicht. Alle anderen Schritte sind zwar aufwendig und kostenintensiv, da sie im Reinraumlaboren durchgeführt werden müssen, aber doch biotechnologischer Standard.

Wie weit sind Sie denn? Funktioniert es im Tiermodell?

Wir sind soweit mit der Entwicklung dieser Technologie vorangeschritten, dass die präklinischen Studien am Tier und die Klinischen Studien am Menschen nun nach Einwerbung einer entsprechenden Finanzierung in einem detailliert geplanten Prüfprogramm abgearbeitet werden können. Wir sind sehr zuversichtlich, dass diese Technik Erfolg haben wird, da uns die Entwicklung von Haarschäften sogar in vitro gelingt. Im Gegensatz zur menschlichen Haut sind hier wesentliche unterstützende Faktoren wie Nerven-, Stütz- und Blutversorgung gar nicht vorhanden und dennoch funktioniert die Mikrofollikelbildung.

Biotechnologie ist natürlich ein Synonym für Fortschritt auf der einen Seite, auch für große Sicherheitsbedenken auf der anderen Seite. Wie schätzen Sie denn aus heutiger Sicht die Sicherheit des Verfahrens ein?

Sicherheitsstudien der Firmen Aderans (USA) bzw. Intercytex (GB) und anderen zur Implantation von körpereigenen Zellen in die Kopfhaut haben in den vergangenen Jahren keine erkennbaren Risiken zu Tage gefördert. Aus unserer heutigen Sicht ist deshalb auch unsere Technologie unbedenklich, da körpereigenes Material verwendet wird und dieses auch nicht z.B. gentechnisch verändert wird. Letztendlich ist die Sicherheit des Verfahrens aber natürlich Gegenstand der klinischen Studien, die für unsere Transplantate unter den enorm strengen europäischen ATMP (advanced therapy medicinal products)-Regeln vor einer ersten Anwendung am Patienten durchgeführt werden müssen. Sind die Studien erfolgreich verlaufen hat das Verfahren die weltweit höchsten Sicherheitsstandards erfüllt.

Kommen wir zu einer ganz entscheidenden Frage: arbeiten Sie daran, das Verfahren den Patienten zur Verfügung zu stellen? Und noch viel wichtiger: wie lange wird es dauern?

Natürlich ist es Ziel unserer Entwicklung jedem diese Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Es wird schonender als alle bisherigen Verfahren sein und es werden wahrscheinlich auch Fälle behandelt werden können bei denen mangels genügend Spenderhaars derzeit keine Methoden zur Verfügung stehen. Für unser Prüfprogramm benötigen wir bei straffer Projektführung etwa 5 Jahre um alle Fragen der Sicherheit und der Wirksamkeit der Transplantate solide abzuklären. Im Verlauf des Programms behandeln wir in den klinischen Studien schon eine erhebliche Anzahl Betroffener. Eine Zulassung kann dann frühestens 5 Jahre nach Start erreicht werden, bisher suchen wir jedoch noch nach Partnern für die notwendige Finanzierung.

Natürlich ist es viel zu früh, aber noch eine ganz wichtige Frage: wird das Verfahren für einen normalen Menschen bezahlbar sein?

Es ist damit zu rechnen, dass der Markteintrittspreis zunächst recht hoch liegen wird. Die jahrelangen Entwicklungskosten und die biotechnologische Herstellung sind hier die wichtigsten Preistreiber. Sowie die Transplantationsmethode jedoch in die Massenanwendung kommt, können die Kosten durch die Auslastung der Herstellungsanlagen und die Automatisierung der Herstellung wahrscheinlich erheblich gesenkt werden.

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